Mit dem Fahrplanwechsel am 09.12.2012 geht die neue S60 zwischen Renningen und Böblingen in Betrieb. Am 08.12.2012 gab es die Eröffnungsfahrt, bei sonnigem Winterwetter begleitet von einem kleinen Festakt am Bahnhof Renningen. Wir Bürger freuen uns auf erheblich verbesserte Verbindungen im öffentlichen Nahverkehr im Raum Leonberg und Böblingen. Die Deutsche Bahn meint - so stand es jedenfalls auf der rechten der beiden Fahnen am Festzelt - der S-Bahnring sei eine runde Sache. Das findet nicht jeder.
Demonstration der AGVL
Die Strecke der S60 und der Güterfernverkehr
Die westliche Güterzug-Umgehung Stuttgart (kurz: WeGuS) bezeichnet die Bahnstrecke Kornwestheim ~ Ditzingen ~ Leonberg ~ Renningen ~ Böblingen. Im weiteren Verlauf bildet die Gäubahn eine Zulaufstrecke in Richtung Schweiz zum neuen Gotthardtunnel, der 2016/17 in Betrieb gehen wird. Somit entwickelt die Strecke sich von einer lokalen Bahnstrecke für den öffentlichen Personennahverkehr zu einer europäischen Transitstrecke für den Güterfernverkehr - und dies in einem der dichtesten Ballungsräume in Deutschland. Und diese Transitstrecke kann dann - neben der völlig überlasteten Rheintalbahn, deren Ausbau zwar geplant ist, mit deren Fertigstellung aber frühestens 2025 gerechnet werden kann - die Seehäfen Genua und Rotterdam verbinden.
Bahnlärm macht krank
Anspruch auf Lärmschutz gibt es aber für die Anwohner der "Altstrecke" auch bei einer Zunahme des Güterverkehrs nicht, denn für die Bestandsstrecke zwischen Neuwirtshaus und Renningen ist Lärmschutz weder vorhanden noch vorgesehen. Mancherorts, wie beispielsweise in Renningen an der Unterführung Kindelberg ist Lärmschutz nicht einmal möglich.
Vom Katastrophenschutz - angeblich soll auf dieser Strecke auch das Kerosin für den Züricher Flughafen transportiert werden - wollen wir an dieser Stelle garnicht anfangen.
Dies hat einige etwas auffällig bekleidete Damen und Herren zu einer kleine Demonstration motiviert, die auf die Risiken und Nebenwirkungen für die Gesundheit hinweisen sollte.
Forderungen
* Lärmminderung durch leise Waggons (wie sie z.B. von Daimler schon häufig eingesetzt werden)
* Lärmabhängige Trassenpreise:
wer lärmt, der zahlt (ab 1.3.2013)
* Tempolimit für laute Güterzüge
* Nachtfahrverbot für laute Güterzüge
* passive Lärmschutzmaßnahmen auch entlang der Bestandsstrecke
* Bezahlung der Lärmschutzmaßnahmen nach dem Verursacherprinzip
* Tempolimit für laute Güterzüge
* Nachtfahrverbot für laute Güterzüge
* passive Lärmschutzmaßnahmen auch entlang der Bestandsstrecke
* Bezahlung der Lärmschutzmaßnahmen nach dem Verursacherprinzip
... im Nebel bleibt, wo das Geld herkommt ...
... Nebel all überall ...
Mittlerweile sprengt jedes Großprojekt bereits lange, bevor es sein Ziel erreicht, den veranschlagten Kostenrahmen. Es ist egal ob man da die S60, den Berliner Flughafen oder das sogenannte "bestgeplante Bahnprojekt aller Zeiten" in Stuttgart anschaut. Warum passiert das eigentlich? Gibt es kein Risikomanagment? Dass die Deutsche Bahn AG kaum Interesse an Kostenminimierung hat, hängt ja auch damit zusammen, dass die DB aufgrund eines hohen Planungskostenanteils von meist mehr als der sonst üblichen 10% (beim Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs etwa spricht man von 17-23%) mit jeder Kostensteigerung auch ihren Gewinn steigert. Warum eigentlich lassen wir und die von uns gewählten Politiker das zu?
Damit kein Missverständnis entsteht: es ist tatsächlich ein Grund zur Freude, wenn ein Projekt zur Verbesserung der Infrastruktur fertig gestellt und in Betrieb genommen wird. In unserer verkehrsgeplagten Region ist es mehr als sinnvoll das Angebot am öffentlichem Personennahverkehr zu optimieren. Und die S60 ist hierbei ein wesentlicher Fortschritt. Es ist auch völlig richtig mehr Güterverkehr auf die Schiene zu verlegen. Aber all dies darf nicht auf Kosten der Lebensqualität und vor allem der Gesundheit der an der Strecke wohnenden Menschen geschehen. Es ist nur sehr, sehr schade, dass, wenn man schon so viel Geld in die Hand nimmt, so wenig gegen die wachsende Lärmbelastung durch Güterzüge getan wird.
... und hier die Presseschau
Die Stuttgarter Zeitung schreibt am 08.12. um 18:44, dass "die Offiziellen ihrer Begeisterung freien Lauf" gelassen haben. Am Ende des Artikels wird auch auf die Kosten eingegangen und wer wieviel bezahlt hat. Die Bahn, die ja am Güterverkehr gut verdient, fehlt in der Zusammenstellung.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch dieser historische Rückblick "Der erste Zug fährt schon im Jahr 1915": Wie sich die Zeiten doch geändert haben: "Die Kommunalpolitiker jener Zeit verhandeln seit den 90er Jahren (des 19. Jahrhunderts, wohlgemerkt!) mit der Württembergischen Eisenbahngesellschaft. "Diese wollte ohne staatliche Zuschüsse den Bau übernehmen", berichtet Mathias Graner, der Renninger Stadtarchivar." Na sowas ...
In ihrem Kommentar vom 06.12. meinte die Stuttgarter Zeitung schließlich: "Missklänge begleiten das fröhlich Eröffnungstrara".
...und dann noch was zum Schmunzeln ...
auch die a capella-Gruppe Wise Guys hat offenbar so ihre Erfahrungen mit der Deutschen Bahn gemacht ...